Guter Stress, schlechter Stress?

Stress ist ein neues Modewort in der Hundehaltung. Vielleicht zum Glück, zum Teil aber auch mit extremen Übertreibungen, wie immer, wenn Menschen sich um Deutungshoheit prügeln. Dabei ist Stress in der Biologie ein komplexes Konzept, welches intensiv erforscht wird.

Was ist Stress?

In erster Linie ist Stress eine psychische und physische Reaktion, die es dem Lebewesen ermöglicht, Anforderungen besser zu bewältigen und den Körper langfristig belasten kann.

Das bedeutet, Stress ist erst einmal wichtig zum Leben, denn es aktiviert den Körper, erhöht seine Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und erhöht unsere Überlebenschancen enorm.

Wie alles Gute ist ein Zuviel jedoch ungesund. Ständige Aktivierung und ein durchgängiger Ausnahmezustand des Körpers machen krank. Das liegt an den Hormonen, die bei kurzfristiger Erregung hochschießen und alles geben, damit wir schneller, cleverer und flexibler sind als üblich. Weil das aber unglaublich Energie kostet, die uns woanders fehlt, ist eine Dauerbelastung krankmachend bis hin zum Tod.

Wie sieht das im Alltag aus?

Hat mein Hund Angst vor fremden Menschen und ein fremder Mensch kommt auf ihn zu, steigt der Stresspegel. Mein Hund ist aufmerksamer und reaktiver und versucht eine Lösung für sein Problem zu finden. Er könnte zum Beispiel wegrennen oder angreifen. Wird ihm das verwehrt, weil er an der Leine ist oder ein Angriff führt nicht dazu, dass er in Ruhe gelassen wird und er findet keine andere Lösung steigt der Stress noch mehr. Kommen jetzt täglich Menschen auf ihn zu und er hat keine Lösungsstrategie, die ihm hilft, mit der Situation umzugehen, wird ihn das über kurz oder lang krankmachen. Eventuell wird er depressiv oder bekommt körperliche Symptome.

Stress ist nicht für jeden dasselbe

Was für den einen hoch belastend ist, tut der andere mit einem Pfotenwedeln ab. Je nach Charakter, Mindset und Genetik gehen Individuen unterschiedlich mit Situationen um. Je besser sie zudem gelernt haben, Lösungen zu finden und je mehr Möglichkeiten sie haben, desto resilienter sind sie und desto weniger kann ihnen Stress anhaben.

Die Genetik wird durch das Zuchtziel vorgegeben. Collies mit einem geringen Reizfilter sind bspw. oft stressanfällig für Geräusche. Der Charakter wird neben der Genetik von den ersten Wochen der Prägung und Sozialisierung bestimmt. Je sicherer die Welpen bei guter Gesundheit aufwachsen konnten, je qualitativ hochwertiger sie ihre Umwelt kennenlernen konnten und je besser ihre Besitzer den Hund und seine Bedürfnisse verstehen, führen und mit ihm leben, desto sicherer ist ihr Umgang mit stressauslösenden Situationen.

Umgang mit Stress beim Hund

Mit stressauslösenden Situationen muss umgegangen werden. Unabhängig von der Bewertung ist es für den Hund wichtig, eine Kontrolle über die stressige Situation zu bekommen. Kann sich der Hund sicher entziehen oder sie anderweitig beenden, ist dieser Stress erstmal kein Problem.

Ohne Lösung wird der Hund auf Dauer krank. Lösungen, die der Hund gut findet, sind allerdings nicht automatisch Lösungen, die der Mensch gut findet. Andere Menschen zu beißen und damit auf Abstand zu halten ist eine Lösung, die in unserer Gesellschaft schwierig ist. Für den Hund ist sie völlig ok. Hier ist also der Mensch gefragt, eine Lösung zu finden, die für den Hund ausreichend gut ist und an unsere Bedürfnisse angepasst ist.

Was kannst du tun?

Entsprechend ist jede:r Hunde­besitzer:in gefragt, sich selbst zu schulen:

Mitleid ist hier fehl am Platz. Eine sichere Anleitung, eine klare Vorbildrolle und Schutz ist das, was dein Hund von dir erwarten darf.

Dein Plakat zur Erinnerung

Auf diesem Plakat, welches wir als Hundekongress in Zusammenarbeit mit Sprich Hund und dem IBH erarbeitet haben, findest du typische Signale, die dein Hund in Stresssituationen zeigen kann. Erkenne sie und bewerte sie richtig. Nicht jedes Lippenlecken ist schlimm und keinesfalls muss Stress generell vom Hund ferngehalten werden. Aber du bist dafür zuständig, dass dein Hund lernt, mit Stress umzugehen und übermäßiger Stress ihn nicht krankmacht.

Und du bist dafür zuständig, dass dein Hund Lösungen lernt, die für euch beide passen und du als Sicherheit immer vorhanden bist.

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Ariane Ullrich

Ariane Ullrich

Ariane Ullrich ist Verhaltensbiologin, Initiatorin des Hundekongresses, Hundetrainerin, Hundetrainertrainerin, Autorin und Referentin.

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