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Gewöhnung

Warum ich etwas zur Gewöhnung schreibe? Weil das etwas ist, was leider zu oft vergessen wird und nicht gezielt im Training mit Hunden beachtet wird.

Podcast-Folge

G wie Gewöhnung

Gewöhnung spielt im Hundealltag eine große Rolle. Sie hilft uns oft da, wo wir nicht weiterwissen. Zeit also, sie bewusst zu nutzen!

Gewöhnung bedeutet, dass Reize, die anfänglich noch etwas Aufmerksamkeit fordern, nach und nach unwichtiger werden und in den Hintergrund treten. Wenn Hunde beispielsweise umziehen an eine laute Straße und sie anfangs noch irritiert sind und jedes Mal nachschauen, wenn wieder ein LKW langfährt, wird sich das nach einigen Tagen legen, weil es für den Hund keine weitere Bedeutung bekommt. Es tritt in den Hintergrund und wird oft nicht mehr wahrgenommen.

Genauso wie wenn wir an den Bahngleisen oder am Flughafen wohnen und die Züge oder Flugzeuge nicht mehr wahrnehmen.

Bei der Gewöhnung darf der Reiz keine große Bedeutung haben

Das gelingt allerdings nur, wenn der Reiz für den Hund keine Bedeutung hat, vor allem keine negative angstauslösende Bedeutung. Wenn der Hund bei jedem LKW erschrickt, dann wird er bald sensibler reagieren und immer stärker auf die Geräusche des herannahenden LKWs reagieren und vielleicht auch bald auf normale Autos.

Das Lernen über Gewöhnung ist für alle Lebewesen grundlegend wichtig, weil das Gehirn sich nicht ständig mit allen Reizen beschäftigen kann, ohne kaputt zu gehen. Es hat sich also die Möglichkeit geschaffen, die Reize auszublenden, die nicht wichtig sind.

Wenn Hunde in ihrem neuen Leben ankommen, sind sie anfangs wahnsinnig aufgeregt und reagieren auf den kleinsten Reiz. Sobald ihr Gehirn sich sortieren konnte, alles geprüft und strukturiert hat, werden sie ruhiger. Sie können Situationen einschätzen, wissen, was geschieht… sie haben sich gewöhnt.

Gewöhnung muss man zulassen

Im Training mit Hunden spielt Gewöhnung deshalb eine wichtige Rolle. Gewöhnung kann man nicht erzwingen, sondern nur zulassen und gestalten. Vor allem, indem man Hunden Zeit gibt. Zeit, sich umzusehen, zu beobachten, auszuprobieren, zu überlegen und auf diese Weise kennenzulernen. Das gilt für Welpen genauso wie für Hunde aus dem Tierschutz.

Wir Menschen können der Meinung sein, dass dem Hund nichts passieren wird und er es ab jetzt ganz toll haben wird. Der Hund aber nicht und wir können es ihm nicht erklären. Er muss es erfahren und das braucht Zeit. Zeit, die wir ihnen geben müssen.

Ein Welpe, der gerade 14 Tage im neuen Zuhause ist, ist daran noch nicht gewöhnt. Jedes Geräusch, jeder neue Geruch, jedes neue Lebewesen ist spannend, aufregend und muss untersucht werden. Ein Tierschutzhund, der in die große Stadt kommt, wird Wochen und Monate brauchen, um sich an sein neues Leben zu gewöhnen, es also kennenzulernen und damit umgehen zu können.

Gewöhnung kann helfen, Probleme zu lösen

Auch im Umgang mit Problemen spielt Gewöhnung eine große Rolle. Wenn wir Situationen meiden, die für unseren Hund problematisch sind, dann wird jede dieser Situationen, in die er hineinkommt, ganz besonders schwierig. Er wird sensibler darauf reagieren, weil sie besonders werden.

Hunde, die mit anderen Hunden Probleme haben und mit denen man anderen Hunden aus dem Weg geht, werden auf den einen Hund, dem man versehentlich doch trifft, meist sensibler reagieren.

Es ist zwar wichtig, Situationen aus dem Weg zu gehen, um das Verhalten nicht weiter eskalieren zu lassen. Wenn man aber nicht gleichzeitig am Problem trainiert, wird es eher schlimmer.

Gerade wenn es um Probleme mit Menschen und anderen Hunden geht, ist es deshalb sinnvoll, neben dem gezielten Aufbau von Verhalten in einer Begegnungssituation auch in kontrollierte Hundegruppen zu gehen.

Gewöhnung ermöglicht man dann dadurch, dass der Hund die Chance hat, andere Menschen oder Hunde zu sehen, ohne dass speziell etwas verlangt wird oder verknüpft wird. Der Hund soll sie riechen und sehen können, ohne sich aufregen zu müssen. Noch wichtiger, er soll sich entspannen können.

Das geht natürlich nur, wenn der Abstand so groß gewählt ist, dass der Hund nicht in Anspannung gerät. Auch nicht in eine positive Anspannung, weil jetzt tolle Sachen geschehen. Er soll einfach Gerüche und Aussehen im Gehirn abspeichern während er gekrault wird oder entspannt im Gras schnüffelt oder auf und ab geht mit seinem Menschen. Der Fokus darf nicht auf den anderen Menschen und Hunden liegen, sondern sie sollen im Hintergrund wahrgenommen werden und die Chance haben, keine Rolle spielen zu müssen.

Gewöhnung ist passives Training

Bei der Gewöhnung tun wir nichts, sondern gestalten nur die Umwelt so, dass der Hund sich gewöhnen kann. Wollen wir gezielt in kleinen Schritten gewöhnen, handelt es sich um eine Desensibilisierung. Dabei wird Gewöhnung in Schritten geübt.

Gewöhnung wird leider zu oft unterschätzt. Wenn wir Dinge immer wieder tun, wird der Hund sich an den Ablauf gewöhnen und ihn oft schon selbst anbieten. Dann hat er über Gewöhnung gelernt und nicht, weil unser geplantes Training so gut war. Das ist nicht schlimm, darf uns aber nicht verleiten, uns für gute Trainer zu halten.

Gleichzeitig sollten wir gerade da, wo geplantes Training schwierig ist, die Gewöhnung gezielt im Auge haben. Deshalb ist das Problem mit anderen Hunden für einen Teil der Hunde schnell gelöst, wenn er eine Weile in Hundegruppen mittrainiert hat und ohne, dass man speziell am Problem gearbeitet hat.

Zeit und Ruhe

Sei dir also des Lernmechanismus der Gewöhnung bewusst, setz sie gezielt ein und lass dem Hund Zeit, damit sie funktionieren kann. Mit Zeit und Ruhe sind einige Probleme viel besser zu lösen als mit Aktivismus und Aufregung.

Was sind deine Gedanken zum Thema "Gewöhnung"?

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Ariane Ullrich

Ariane Ullrich

Ariane Ullrich ist Verhaltensbiologin, Initiatorin des Hundekongresses, Hundetrainerin, Hundetrainertrainerin, Autorin und Referentin.

2 Gedanken zu „Gewöhnung“

  1. Hallo Ariane,
    meine Hündin Rosa hat große Angst, wenn es vor, während und nach Sylvester knallt. Zittert am ganzen Körper und geht nicht Gassi. Was können wir tun, wie ihr helfen? Da wir das letzte Sylvester diese Erfahrung gemacht haben, fahren wir für 5 Tage in eine ruhige Gegend, machen in einem hundefreundlichen Hotel Urlaub. Geht natürlich nicht immer, wenn auch dieses Jahr. Wie können wir unserer Hündin die Angst nehmen oder reduzieren?

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